Gegen Wände rennen?

Daniel Heinze über Perspektivwechsel und lohnende Umwege

Eine Karikatur, die ich neulich in einer Zeitschrift gesehen habe: ein Typ steht vor einer Wand. So dicht dran, dass seine Hände und sein Kopf die Wand berühren. In seinem Blickfeld sieht dieser Mensch also nichts als bröckelnden Putz und Ziegelsteine. Da ist kein Durchkommen. Schluss, Aus, Ende. 

Als Betrachter der Szene sehe ich, was der Kerl gerade nicht sehen kann: Würde er nur drei, vier Schritte von der Wand zurücktreten, würde er bemerken, dass die ach so große Barriere nur wenige Meter breit ist! Ein paar Schritte nach links oder rechts und er könnte problemlos an dem Hindernis vorbeigehen. Freie Sicht, freie Bahn – das Problem wäre gelöst. 

Mir passiert das immer wieder. Und vermutlich bin ich damit nicht allein. Ich bin viel zu nah dran an einer Sache, einem Problem. Ich renne gegen Wände, halte etwas für alternativlos, sehe keinen Ausweg. Ja, dann bin ich der Typ aus der Karikatur und berühre mit der Nasenspitze schon die Steinmauer. Ich will mir zurufen: Geh ein paar Schritte zurück! Dann schau nochmal genau hin! 

Denn mitunter offenbart sich schon durch einen kleinen Perspektivwechsel ein neuer Weg, den ich vorher gar nicht mehr sehen konnte. Ein paar zusätzliche Schritte sind dann vielleicht nötig. Aber die wären es wert, um das eben noch für unüberwindbar gehaltene Hindernis zu umgehen und eben nicht gegen Wände zu rennen.

Hinweis:
Diesen Text habe ich für die Leipziger Volkszeitung geschrieben, in der er am 6. September 2024 in der Kolumne “Der Gedanke zum Wochenende” erschienen ist.

Frieden ist richtig Arbeit

Daniel Heinze über die uralte Sehnsucht nach einer friedlichen Welt

“Zukunft hat der Mensch des Friedens” – mit diesem Satz aus einem Psalm in der Bibel ist der 103. Deutsche Katholikentag überschrieben, der noch bis Sonntag in Erfurt läuft. Ein Satz, den ich gerade ständig in die Welt hinaus rufen möchte: wenn ich Nachrichten schaue, Zeitung lese oder mir im Internet von Krieg, Unfrieden und Ungerechtigkeit berichtet wird. Mensch, Leute, Zukunft hat der Mensch des Friedens!

Ein Jahrtausende alter Satz. Schon damals war das wohl auch vor allem eine Sehnsucht; eine Hoffnung, der man sich einander vergewissert, um sie vor lauter Konflikten, Sorgen, Problemen des Lebens nicht zu vergessen. 

Die Sache ist nur … Frieden ist nichts, was ich nur von anderen erwarten oder einfordern kann: von der Welt, oder von “denen da oben”. Frieden ist immer auch eine Haltung, eine Grundeinstellung für mich selbst. Und ein “Mensch des Friedens” zu werden, ist richtig Arbeit. Es bedeutet, eben nicht der zänkische Kollege zu sein, der gerne mal über die anderen lästert. Nicht der Typ, der ständig mit den Nachbarn streitet und der immer nur auf sein Recht pocht. 

Es geht darum, Rücksicht zu nehmen. Auch das Wohlergehen der anderen im Blick zu haben. Zu akzeptieren, dass sich auch mal was verändern muss. Zu verstehen, dass sich eine gute Zukunft nur zusammen gestalten lässt. Ja, Frieden ist anstrengend, konkret, handfest. Aber nur so wird aus dieser Sehnsucht Wirklichkeit.

Hinweis:
Diesen Text habe ich für die Leipziger Volkszeitung geschrieben, in der er am 31. Mai2024 in der Kolumne “Der Gedanke zum Wochenende” erschienen ist.

Jeder kann zum Heiler werden

Daniel Heinze über eine Idee von Jesus, die nichts mit Quacksalberei zu tun hat

Christinnen und Christen können andere Menschen heilen! So lautet eine Vorhersage von Jesus. In der Bibel steht, dass der auferstandene Jesus seinen Freunden auftrug: “Geht hinaus in die Welt, und verkündet die Frohe Botschaft allen Geschöpfen!” Die, die zum Glauben finden, werde man an ihren Handlungen erkennen: “Die Kranken, denen sie die Hände auflegen, werden gesund werden.”

Heil als Aufgabe für alle Gläubigen? Wie soll das gehen, wo ich doch von Medizin gar keine Ahnung habe? Unseriöse Quacksalber und Scharlatane gibt’s schon viel zu viele auf dieser Welt! Jetzt auch noch Christen, die sich als “Heiler” ausgeben? 

Ich glaube, Jesus hatte keine medizinischen Wunder im Sinn. Für ihn war das eine logische Konsequenz: Wer den Glauben annimmt und es damit wirklich ernst meint, strebt nach einer Lebenshaltung, die auch anderen gut tut. So eine Art liebevolle Grundeinstellung der Welt und den Menschen gegenüber. 

Denn alle haben Fähigkeiten, die für andere heilend sein können: das geduldige Zuhören, wenn nachts ein Freund anruft, dem es dreckig geht. Das In-den-Arm-nehmen, wenn jemand trauert. Die helfende Hand, wenn ich mit einer Aufgabe überfordert bin. Oder die Gabe, andere anzunehmen, so, wie sie sind. 

Ja, die Zuwendung zu meinen Mitmenschen hilft. Sie spendet Trost und Nähe. Eine schöne Vision von Jesus für uns Menschen: Alle können und sollen zu Heilenden werden – und damit zum Segen für andere!

Hinweis:
Diesen Text habe ich für die Leipziger Volkszeitung geschrieben, in der er am 12. April 2024 in der Kolumne “Der Gedanke zum Wochenende” erschienen ist.

Zeit für Gewinner!

Daniel Heinze empfiehlt einen lebensfrohen Blick auf die Fastenzeit bis Ostern

Kein Fleisch, nix Süßes, weniger Alkohol, keine Netflix-Serienmarathons oder sieben Wochen ohne Partys – Vorsätze für die Fastenzeit seit Aschermittwoch haben häufig mit Verzicht zu tun. Klar, sind die sieben Wochen bis zum Osterfest für Christinnen und Christen doch als Zeit des Innehaltens und Nachdenkens gedacht. 

Da ist Auf-etwas-verzichten ein guter Weg, um im eigenen Leben Platz zu schaffen für Wichtigeres. Alles gut und schön also – nur leider auch echt freudlos und, mit Verlaub, ganz schön unsexy. Manche hören die Worte “Fastenzeit” und “Verzicht” und sehen sofort schlecht gelaunte Menschen vor ihrem inneren Auge. Latent gereizte Miesepeter und -petras, die allen mit ihrem Fasten-Verzichts-Frust die Lust am Leben rauben.

Hier ist besseres Fastenzeit-Marketing gefragt. Nicht das, worauf ich verzichte, ist das Entscheidende. Sondern das, was ich dadurch gewinne! Das sind vor allem mehr Zeit und Raum im Alltag für Fragen, die mich beschäftigen. Für meine Beziehung mit Gott. Für Themen und Menschen, die mir am Herzen liegen. Einen noch klareren Kopf und Platz für neue Gedanken. 

Die Fastenzeit kann also echten Mehrwert für mein Leben schaffen. So gesehen erledigt sich auch das Schlechte-Laune-Klischee; schließlich ist das ein Grund zur Freude! Von wegen Verzicht. Wer fastet, verliert nichts. Aber kann eine Menge gewinnen.

Hinweis:
Diesen Text habe ich für die Leipziger Volkszeitung geschrieben, in der er am 16. Februar 2024 in der Kolumne “Der Gedanke zum Wochenende” erschienen ist.

Mieses 2023?

Oft konnte man in den letzten Tagen lesen oder hören: „Gut, dass dieses miese Jahr 2023 jetzt zu Ende ist!“ Viele sind genervt und erschöpft von den unzähligen Problemen, Kriegen und Debatten, die 2023 die Nachrichten und die Gespräche auf Familienfeiern oder beim Feierabendbierchen bestimmt haben. Dass sie sich einen Schlussstrich unter all die Dauerkrisen wünschen, kann ich gut nachvollziehen.

Nur ist es leider recht unwahrscheinlich, dass sich all die komplexen Themen mit dem Jahreswechsel erledigen werden – bloß, weil sich die Jahreszahl ändert, wird nicht magisch Frieden auf Erden, ist die Klimakrise nicht abgehakt oder sind die Haushaltssorgen der Bundesregierung kein Schnee von gestern. Die anstrengenden Nachrichten werden weitergehen. Da scheint es mir sinnvoller, mal zu überlegen, ob ich als einzelner ja vielleicht in meinem Alltag etwas ganz Konkretes anpacken könnte, das die Welt ein wenig besser macht.

Außerdem: kein Jahr ist immer nur von vorn bis hinten mies. Auch 2023 haben sich Menschen verliebt. Geheiratet. Eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Kinder bekommen. Laufen gelernt. Anderen geholfen. Geld gespendet. Sich ehrenamtlich engagiert. Nein, dadurch lösen sich die großen Krisen nicht in Luft auf. Und doch haben auch diese vermeintlich kleinen, guten Dinge 2023 mitgeprägt. Sie geben mir Kraft und Hoffnung für das neue Jahr. Denn das wird gewiss auch wieder herausfordernd. Los, packen wir’s an!

Hinweis:
Diesen Text habe ich für die Leipziger Volkszeitung geschrieben, in der er am 29. Dezember 2023 in der Kolumne “Der Gedanke zum Wochenende” erschienen ist. Außerdem ist er als „Impuls der Woche“ auf Kirche-Leipzig.de abrufbar.

Nur Geduld? Gar nicht so leicht!

Ich bin ein schrecklich ungeduldiger Mensch. Am liebsten passiert bei mir immer alles gleich und sofort. Wenn ich mir etwas Neues kaufe, einen Laptop zum Beispiel – dann sollte der bitte einfach hochfahren und sofort tadellos funktionieren, ohne tausend Zusatzinstallationen, Anmeldungen und Updates. Noch irgendwas einstellen? Herunterladen? Nachträglich installieren? Da bin ich sehr schnell sehr hart genervt. 

Auch wenn ich mich mit Menschen streite, die mir am Herzen liegen: ich ertrage Spannungen und gereizte Stimmung nur schlecht; für lange Unausgesprochenes zwischen uns fehlt mir die Geduld. Am liebsten würde ich solche Sachen immer sofort klären und aus der Welt schaffen. 

Auf meine Ungeduld bin ich nicht stolz. Hut ab vor allen, die einen langen Atem haben. Nicht nach ein paar Fehlversuchen alles hinschmeißen. Die auch mal warten können, bis die Zeit reif ist. Das Talent besitzen, anderen Menschen etwas beizubringen, und nicht gleich sauer werden, wenn man es nicht auf Anhieb kapiert. 

Geduldig zu sein bedeutet nämlich nicht automatisch, stets alles auszusitzen oder einfach auf bessere Zeiten zu hoffen. Geduldig zu sein bedeutet, andere zu tragen und zu er-tragen, sich auch mal zurücknehmen zu können. Zu verstehen, dass es manchmal Zeit braucht, bis ich die richtige Idee habe, die vernünftigste Kaufentscheidung treffe oder das versöhnende Wort sagen oder annehmen kann. Nur Geduld? Ich will es versuchen.

Hinweis:
Diesen Text habe ich für die Leipziger Volkszeitung geschrieben, in der er am 3. November 2023 in der Kolumne “Der Gedanke zum Wochenende” erschienen ist.

Das Wichtigste zuerst!

“Das Wichtigste zuerst!” Dieses Prinzip lernen Leute, die in den Medien arbeiten, gleich als Erstes. Sei es die Nachricht in der Tageszeitung, die Eilmeldung, die auf dem Handy aufploppt oder die Pressemitteilung eines Unternehmens – denen, die solche Texte erstellen, wird eingeschärft: am Anfang muss immer das stehen, was am Wichtigsten ist. Das, was alle unbedingt wissen müssen. 

Erst dann folgen die Details, ist Raum für Hintergründe und Zusammenhänge. Ich erinnere mich an die Faustregel in meiner Ausbildung: eine gute, professionelle Pressemitteilung muss stets von hinten kürzbar sein. Darüber freuen sich alle, die die Mitteilung lesen und weiterverarbeiten. 

“Das Wichtigste zuerst” – das ist auch sonst ein hilfreiches, gutes Prinzip für’s Leben. Die Menschen, Themen und Termine, die mir am meisten am Herzen liegen, sollten Vorrang haben. Familie, Freunde, ein Engagement im Ehrenamt vielleicht. Und, na klar, idealerweise ein Beruf, der mich erfüllt. “Das Wichtigste zuerst” – dieser Gedanke bewahrt mich davor, mich zu schnell in Nebensächlichem zu verlieren. Ein Prinzip, das Klarheit schafft und für Ordnung sorgt. 

Das funktioniert aber nur, wenn ich überhaupt weiß, wo meine Prioritäten denn liegen. Es tut gut, sich das immer mal bewusst zu machen: Wer und was ist denn wirklich für mich das Wichtigste im Leben?

Hinweis:
Diesen Text habe ich für die Leipziger Volkszeitung geschrieben, in der er am 19. Mai in der Kolumne “Der Gedanke zum Wochenende” erschienen ist.

Unruhe als Dauerzustand? Zur aktuellen Situation in Israel

Vor ein paar Tagen konnte ich ein Gespräch mit dem frisch gewählten Abt der Dormitioabtei in Jerusalem, Pater Nikodemus Schnabel, führen. Thema war die derzeitige politische, gesellschaftliche und interreligiöse Situation in Israel. Ein, wie ich finde, hochspannender reality check. Verfügbar als Folge von „Mit Herz und Haltung“, dem Podcast aus der Katholischen Akademie im Bistum Dresden-Meißen.

Zeit für Aha-Momente!

Gestern begann der islamische Fastenmonat Ramadan. Für Muslime ist das Fasten eine der fünf Säulen ihrer Religion neben dem Glaubensbekenntnis, den täglichen Gebeten, dem Almosengeben und dem Pilgern nach Mekka. Von Tagesanbruch bis Sonnenuntergang verzichten sie im Ramadan auf Essen und Trinken. 

Auch das Christentum kennt das Fasten – gerade jetzt, in den sieben Wochen bis zum Osterfest. Die Regeln sind nicht ganz so streng wie die des Ramadan, aber auch Christinnen und Christen sind angehalten, sich in der Fastenzeit in Verzicht, Gebet und Selbstreflexion zu üben. Ich verstehe diese Fastenzeiten als Einladung, zum Kern meines Lebens durchzudringen: Was trägt mich? Welche Rolle spielt Gott für mich? Setze ich die richtigen Prioritäten? Wie nehme ich andere Menschen wahr? 

Freilich, das könnte ich mich ja immer mal fragen; ehrlicherweise geht sowas bei mir im täglichen Stress aber meistens unter. Gut also, wenn ich einen Anlass habe, um diese Themen für eine Weile nach vorn zu stellen. Die äußeren Fasten-Vollzüge – wie etwa der Verzicht auf Fleisch, Alkohol, Netflix oder so – helfen, Platz für diese zentralen Fragen zu schaffen. 

Gelingendes Fasten endet daher nicht mit der Bikinifigur für die Badesaison. Sondern mit persönlichen Aha-Momenten. Mit Dankbarkeit. Oder Demut. Und mit tiefem Respekt vor allen, die sich solchen Herausforderungen stellen wie in der Fastenzeit oder im Ramadan.

Hinweis:
Diesen Text habe ich für die Leipziger Volkszeitung geschrieben, in der er am 24. März 2023 in der Kolumne “Der Gedanke zum Wochenende” erschienen ist.

Augen zu, um zu sehen!

Um hier etwas zu sehen, müsst Ihr Eure Augen ganz fest zu machen!” Ein merkwürdiger Rat, den uns der Stadtführer in Jerusalem da gab. Ausgerechnet hier, in Jerusalem, der Hauptstadt von gleich drei Weltreligionen, sollen wir die Augen schließen? Wir waren gerade unterwegs auf der Via Dolorosa in der Innenstadt; hier soll Jesus einst nach seiner Verurteilung sein Kreuz durch die Straßen geschleppt haben. 

Und wir sollen hier die Augen zu machen? Natürlich sagte unser Guide das ganz bewusst und mit einem Lächeln. Denn ob das hier wirklich genau der Kreuzweg von Jesus war? Wohl kaum, liegt die Stadt heutzutage doch gut zehn Meter höher als zu Lebzeiten Jesu. Ich bin wirklich nah dran am historischen Ort, aber so genau, wie ich als wissbegieriger Tourist das gerne hätte, eben auch wieder nicht. 

Aber – kommt es darauf überhaupt an? Wer nach Jerusalem fährt, “auf den Spuren Jesu“ reist, geht auf keinem einzigen Stein mehr, auf dem auch schon Jesus lief. Dennoch wird die Bibel für ihn greifbarer: durch Bauwerke, Gerüche, die Kultur, die Menschen, das Wetter. Ich kann ganz viel lernen und verstehen – mit allen Sinnen, nicht nur durch das Sehen. 

Übrigens funktioniert das mit den geschlossenen Augen nicht nur in Jerusalem. Auch im Alltag lohnt es sich, immer mal ganz bewusst die Augen zu schließen: um dadurch klarer zu “sehen”, worauf es in meinem Leben ankommt.

Hinweis:
Diesen Text habe ich für die Leipziger Volkszeitung geschrieben, in der er am 27. Januar 2023 in der Kolumne “Der Gedanke zum Wochenende” erschienen ist.