Geoffrey Gurrumul Yunupingu – Gurrumul (2008)

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Der letzte, den mich mit seiner für meine Ohren damals fremdartigen Musik derart in seinen Bann gezogen hat, war Justin Vernon. Als ich vor gut einem Jahr Bon Iver für mich entdeckte, hat mich die Erhabenheit und Schönheit dieser Musik schlichtweg umgehauen. Gestern hatte ich mal wieder so ein Erlebnis – diesmal aber nicht dank meisterhafter Songwriterkunst aus Wisconsinschen Waldhütten, sondern dank herzergreifender Hymnen von Elcho Island im Norden Australiens.

Von dort kommt Geoffrey Gurrumul Yunupingu, ein Aboriginal, der früher mal bei Yothu Yindi dabei war und mit fast schon unverschämtem musikalischen Talent gesegnet ist: er spielt Schlagzeug, Digeridoo, Keyboard und Gitarre, um nur ein paar Instrumente zu nennen. Aber vor allen Dingen singt er – mit einer derart glasklaren, brillanten und einnehmenden Stimme, dass man nach dem Hören seiner Lieder am liebsten alle Kriege und Konflike der Welt für beendet und alles Böse für erfolgreich vertrieben erklären möchte. Yunupingu singt über sein Volk, die Yolngu, sein Leben als Mensch, der von Geburt an blind ist, er singt über Verlust und Liebe und über viele Dinge, die ich nicht verstehe, da ich seine Sprache nicht spreche. Aber das, was musikalisch bei mir ankommt, ist dafür umso stärker: „Gurrumul“ ist das mit Abstand Ergreifendste, was ich in letzter Zeit gehört habe.

Video: Geoffrey Gurrumul Yunupingu – „Wiyathul“ live

A Day in the Life of Abbey Road

Die Idee zu diesem Video ist dermaßen naheliegend und gut, dass es mich wundert, dass da bis jetzt keiner drauf gekommen ist. Die britische Band Blame Ringo hat für ihren Song „Garble Arch“ einfach mal ein paar Stunden auf den berühmten Beatles-Abbey Road-Zebrastreifen draufgehalten. Das Ergebnis sieht dann so aus:

Leslie Mendelson – Brand New Key (video)

Wenn es in der Musikwelt auch nur ein wenig gerecht zugeht, dann dürfte dieser Frau und ihrem im Mai bei Rykodisc erscheinenden Album „Swan Feathers“ großer Erfolg beschieden sein. Warmer, böse groovender Soulpop mitten aus New York. Habe Leslie Mendelson letzten Sommer live in New York in der Rockwood Music Hall erlebt und war begeistert – von einem jüngeren Auftritt der Dame samt Band in selber Location hier ein Video:

Mando Diao – Give Me Fire (2009)

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Sie wissen nicht so recht, wohin.

Mando Diao, einst die Könige der Ohrwürmer und ungestümen Dreiminutenhymnen, haben ein neues Album veröffentlicht. Give Me Fire heißt es und macht da weiter, wo der Vorgänger „Never Seen The Light Of Day“ aufhörte: schon der war ja ein versuchter Aufbruch zu neuen musikalischen Ufern. Während es auf „Never…“ in Richtung Folk und Krautrock ging, liebäugeln die Schweden diesmal aber vor allem mit Disco und Pop. Und das steht ihnen streckenweise gar nicht mal schlecht; viele der Songs funktionieren und haben Charme, etwa die Singles „Gloria“ und „Dance With Somebody“, der Titelsong oder auch „Maybe Just Sad“.

Nur schiessen sie halt auch einige echte Böcke, besonders in der zweiten Hälfte: das Sechsminutenstück „Crystal“ ist nichts anderes als ein viel zu langer Roger Whittaker-Schlager, „You Got Nothing On Me“ erinnert an Oldieradio-Seventies-Rock á la Slade und Steppenwolf, beim Schlusstrack „The Shining“ schließlich wartet man darauf, dass jede Sekunde Gloria Gaynor um die Ecke kommt und „I Will Survive“ röhrt. Mit „Give Me Fire“ ist Mando Diao ein kurzweiliges Album gelungen – kurzweilig im Sinne von „gute Unterhaltung“ und „manchmal leider unfreiwillig komisch“.

Neue Musik: Bon Iver, x ist y?, Pancho's Lament, Antony & The Johnsons u.a.

Finde Gefallen daran, manche Platten schnell, knapp und in noch viel weniger als sieben Sätzen anzusprechen. Deswegen hier ein weiterer Überblick über neue Musik, die mir in den letzten Tagen untergekommen ist.

Rokia Traoré – Tchamantché (2008 )
Klasse Musik, die nur leider unter die grauslige Kategorie „Weltmusik“ fällt. Bin durch NPR auf diese Frau aus Mali aufmerksam geworden. Sanfte, sehr ungewohnt instrumentierte Musik, über der eine fremde, melancholische Stimme schwebt – die mal auf französisch, meistens aber in ihrer Muttersprache Bambara singt.

x ist y? – Igitt Pop (2008 )
Die 2008er Platte der Herren von x ist y?, mit denen ich seit vielen Jahren befreundet bin und schon oft die Bühne teilen durfte. Indierock zwischen Bombast- und Probenraumsound, musikalisch wie textlich cleverst durchdacht und aufwändig durchkomponiert. Wünsche mir, dass dieser Band mehr öffentliche Aufmerksamkeit zuteil wird als bisher.

Antony & The Johnsons – The Crying Light (2009)

Manchmal dauert’s ja etwas länger, bis bei mir der Groschen fällt. Dafür ist er diesmal umso heftiger gefallen. „I Am A Bird Now“ fand ich ja ganz nett, „The Crying Light“ kriegt mich so richtig. Dieses Album ist wunderschön, die letzten Tage wären ohne Songs wie „One Dove“ oder „Her Eyes Are Underneath The Ground“ undenkbar gewesen.

Pancho’s Lament – 3 Sides To Every Story (2009)
Das dritte Album von Jeff Cohen alias Pancho’s Lament. Der Mann, der gemeinsam mit Chris Barron die Über-Platte „Pancho And The Kid“ schrieb, gibt mal wieder ein paar Stücke aus seiner Songwriter-Werkstatt zum Besten. Cohen versteht es einfach, eingängige, gefällige Popsongs zu schreiben – beste Unterhaltung, in den schwächeren Momenten ein wenig beliebig, meistens aber ungemein zwingend und kurzweilig.

Bon Iver – Blood Bank (2009)
Neue EP von Bon Iver: zu hoffen, sie würde genau so ein Jahrhundertwurf werden wie „For Emma…“, wäre sicherlich töricht gewesen. Also: Erwartungen runterschrauben, und dann angenehm überrascht werden! Drei der vier Songs find ich super, nur „Babys“ will bei mir nicht so recht zünden. Immer noch fantastisch, Bon Iver.

True Nature – Feels Like Centuries (2009)
Wie bei Pancho’s Lament handelt es sich auch bei True Nature um einen Act aus dem weiteren Umfeld der Spin Doctors-Bandmitglieder Aaron Comess und Chris Barron. Beide sind hier auch dabei (Drums, Backing Vocals), aber stellen sich voll und ganz in den Dienst der Sache: sehr „groß“ produzierter Rockpop mit Anleihen an Coldplay und U2, nur nicht ganz so gefällig bzw. beliebig. Spannende EP, hervorragende Produktion. Zu haben bei iTunes.

The Wombats – A Guide To Love, Loss & Desperation (2007)

Okay, wenn ich schon im Urlaub Freunde in Liverpool besuche, die am Lipa lernen, dann war es irgendwie zwangsläufig, dass ich mir nun endlich mal die Wombats-Platte in Gänze gönne. Die Herren haben nämlich auch an Maccas Popkaderschmiede studiert, auch, wenn sie das der Credibility wegen gerne unterschlagen. Hmm… Netter Pubrock halt, ein paar geile Hooks, insgesamt ist mir das aber etwas zu schrömmelig. „Let’s Dance To Joy Division“ und „Here Comes The Anxiety“ sind zwei echte Geniestreiche.

Ben Kweller – Changing Horses (2009)

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So, da ist es nun also, das Country-Album von Indie-Darling Ben Kweller. Vor dem Hören fällt zunächst auf, um wie vieles schöner CDs sein können, verglichen mit iTunes- oder eMusic-Käufen: liebevoll gezeichnetes Cover, Old-School-Ausfalt-Poster-Booklet mit Liner Notes und Texten – super. Genau wie die Musik auf Changing Horses: auch, wenn dieser Tage die Dobro ganz wunderhübsch jault, bleibt das dennoch unverwechselbar Kweller; die Produktion ist derart warm, organisch und bestechend klar, dass es eine Freude ist.

Nein, hier macht kein Jungsongwriter mal eben einen auf Cowboy, weil das womöglich grade hip sein könnte – vielmehr werden hier kleine, bisweilen absurde Geschichten erzählt, tolle Melodien aufgetischt und geschmackssicher alle Klischeeklippen umschifft, die das Genre schlimmstenfalls hätte bieten können. Kurz ist das Vergnügen (zehn Songs in 36 Minuten), aber dafür passt hier jeder Song, ist jede Minute wertvoll, jeder Moment gelungen. Ben Kweller hätte keinen besseren Nachfolger für sein beachtliches 2006-Album aufnehmen können als diesen melodieseligen, kitschfreien Songzyklus mit Country-Schlagseite, der mit „Ballad Of Wendy Baker“, „Hurting You“ und „Fight“ auch einige besten Kweller-Songs überhaupt beinhaltet. …oh, the world will suck you dry, aw, but I loved you right…

Luke Haines – Bad Vibes. Britpop And My Part In Its Downfall (2009)

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Luke Haines war der Kopf der Band The Auteurs, die in den Neunzigern als Vorreiter der Britpop-Welle galt und vier Alben veröffentlicht hat. In seinem Buch Bad Vibes – Britpop And My Part In Its Downfall beschreibt Haines seine Zeit als aktiver Popstar. Habe lange kein Buch mehr gelesen, dass so amüsant, garstig und zur gleichen Zeit aufrichtig ist.

Herrlich, wie Haines von einer Fehleinschätzung in die nächste schlittert; verblüffend, wie unfähig er war, mit seinem eigenen Erfolg umzugehen; hinreißend, wie er ständig Gift und Galle spuckt über seine Zeitgenossen von Suede, The Verve, Oasis, Pulp, Ocean Colour Scene, Manic Street Preachers oder Blur. Die alle immer ein wenig erfolgreicher und angesagter waren als The Auteurs.

Böse, schonungslos und derart witzig geschrieben, dass man nach 250 Seiten regelrecht bedauert, dass dieser Kerl nur von der Auteurs-Zeit berichtet und nicht auch von seiner zweiten Karriere als Solokünstler, die bis heute andauert. Dringende Empfehlung für alle, die „Britpop“ mochten und für alle, denen „Britpop“ mächtig auf den Keks ging.

Das Howie Day-Comeback?

Vieles deutet darauf hin, dass 2009 tatsächlich das Jahr des Howie Day-Comebacks werden könnte: eine neue Tour, die Ankündigung, nun endlich mal das neue Album rauszubringen und die Tatsache, dass das letzte Album satte sechs Jahre auf dem Buckel hat und sich partout nicht zum zehnten Mal re-releasen lässt, zum Beispiel. Heute kam nun die Ankündigung, dass Epic (bin ja erstaunt, dass der nach all den Jahren immer noch beim gleichen Label ist) am 14. Februar (Valentinstag) einen Song namens „Counting On Me“ von der neuen Howie Day-Platte verschenkt. Man muss sich halt nur vorher in Days Mailingliste einschreiben, dann kriegt man in einer Woche den Song. Bin gespannt – wer mag, kann sich hier registrieren.