Mein 2010: Lieblingskonzerte

10 – Dave Matthews Band, Hamburg, 16. Februar
Das Auftaktkonzert der DMB-Europatour 2010 war sicherlich keines für die Ewigkeit, weder von der Setlist noch vom Sound oder der Performance her. Aber wir hatten eine großartige Zeit in der Hansestadt, und selbst ein mittelmäßiges Dave-Konzert ist besser als das meiste, was man sonst so zu sehen bekommt.

9 – Get Well Soon, Leipzig, 3. März
Ziemlich artsy, das ganze. Mit großer Videoprojektion, ganz wichtiger, großer Pose und so. Aber dennoch hat mich diese Band hervorragend unterhalten und für zwei Stunden in ihren Bann gezogen.

8 – Götz Alsmann & Band, Leipzig, 14. Oktober
Götzimausi wirkte im ersten Teil seiner Show doch ziemlich routiniert und ein wenig kaputtgetourt. Das zweite Set jedoch war sensationell, die Zugaben nicht von dieser Welt und ein locker aus drei Generationen bestehendes Gewandhauspublikum war am Ende außer Rand und Band.

7 – Unbekannter Sänger, Bangkok, 30. August
Wir saßen in irgendeiner Rooftop-Bar in Bangkok, und irgendein Thai-Musiker würde schon das übliche Set mit mäßigen Coverversionen von „Hotel California“ und „House Of The Rising Sun“ abgniedeln. Dachten wir. Was wir – kurz vor dem Rückflug nach Deutschland – zu hören bekamen, war ein brillianter junger Mann, der den Groove mit Löffeln gefressen hatte und uns mit Howie Day, Joseph Arthur, Jason Mraz und Dave Matthews begeisterte. Das einzig wirklich mittelmäßige an diesem Abend war der Gin Tonic.

6 – Alberta Cross, Berlin, 17. Februar
Die Band, die mein Fast-Lieblingsalbum 2009 verzapfte, durfte ich gleich zwei Mal sehen in diesem Jahr, wieder als Vorband für Dave Matthews. Das Set, das die AC-Jungs in Berlin hingelegt hatten, unterschied sich nur unwesentlich von dem am Vortag. Das Hauptstadt-Publikum war der Vorband gegenüber jedoch wesentlich aufgeschlossener als das in Hamburg. Gitarrenwände wie eine Naturgewalt, darüber dieser erhabene Gesang – immer wieder toll. Ich hoffe daher sehr auf ein neues Alberta-Cross-Album und wünsche mir einen weiteren großen Wurf.

5 – Dave Matthews Band, Berlin, 17. Februar
Bleiben wir gleich im Tempodrom, selber Abend, eine Stunde später: DMB mit einem derart beseelten, detailversessenen Set, dass der Unterschied zum Vorabend (siehe Platz 10) kaum hätte größer sein können. Ich stand mit offenem Mund im Zuschauerraum und ließ es einfach geschehen. Und als dann am Ende in einem epischen 12-Minuten-„So Damn Lucky“ auch noch „Thank You (Falletin Me Be Mice Elf Agin)“ eingebaut wurde, war ich mir mal wieder sicher, dass DMB die so ziemlich beste Band der Welt sein muss.

4 – Selig, Leipzig, 17. Dezember
Warum auch immer das Haus Auensee derart mittelprächig gefüllt war – Band und Publikum ließen sich durch die spärlich gefüllten Reihen nicht runterziehen. Im Gegenteil: inzwischen hab ich ja nun schon so einige Selig-Auftritte sehen dürfen. Aber die diesjährige Show war wirklich besonders und zeigte eine vor Spielfreude und Euphorie kaum zu bändigende Band. Still Selig after all these years…

3 – Fettes Brot, Leipzig, 1. Dezember
Mehr als einen halbwegs coolen Abend hab ich gar nicht erwartet, als ich zum Fettes-Brot-Konzert eingeladen wurde. Dass mir das Konzert derart großen Spaß machen würde, hätte ich nie gedacht. Die Brote verfügen über eine erstklassige Band und sind tatsächlich echte Entertainer. Zwei kurzweilige, schweißtreibende Stunden, die ich nicht missen möchte. Im Gegenteil: zu Fettes Brot würde ich jederzeit wieder gehen.

2 – Stoppok & Worthy, Leipzig, 27. November
Die von mir besuchten Stoppok-Konzerte zu zählen, hab ich schon Ende der neunziger Jahre aufgegeben. Umso schöner, dass Stoppok-Shows bis heute zu meinem Leben dazugehören. Das diesjährige war bemerkenswert – im Duo mit Bassist Worthy und in zwei ausladend langen Sets hat der Sänger mal wieder unter Beweis gestellt, dass bei ihm vielleicht nicht jeder Reim ein Volltreffer sein mag, er mit seinem musikalischen Können und Gefühl aber nach wie vor in der Champions League spielt.

1 – The Cat Empire, Berlin, 5. Oktober
Zum dritten Mal The Cat Empire. Zum dritten Mal ein Erlebnis, das in jeder Hinsicht berührt. Wie sich hier leise, filigrane Momente an lautstarke Gefühlsausbrüche reihen; wie hier Rock, Jazz und Funk zu etwas ganz Eigenem verschmelzen; wie viel diese Musik mit mir anrichtet, das in Worte zu fassen ich nicht in der Lage bin! Dieses Konzert war der vielleicht intensivste Augenblick meines an kostbaren Momenten nicht eben armen Musikjahres 2010.

Mein 2010: Lieblingsalben

10 Ocean Colour Scene – Saturday
Im 21. Jahr ihres Bestehens lieferten OCS ein ebenso zeitloses wie zeitgemäßes Album ab: große Songs, originelle Arrangements, Melodien, die sofort haften bleiben. Very british, und very good.

9 Strand Of Oaks – Pope Killdragon
Timothy Showalters zweites Album war auf einmal da und ist seither mein ständiger Begleiter. Famos, wie er zwischen Krach-Ausbrüchen und minimalistischem Folk hin- und herwechselt; dazu auch noch diese absurden Texte (alleine schon der Song über Dan Aykroyd!!)… Strand Of Oaks hat mich schon mit „Leave Ruin“ begeistert. „Pope Killdragon“ hat aus mir endgültig einen Fan gemacht.

8 Selig – Von Ewigkeit zu Ewigkeit
Die Workaholics von Selig mussten knapp 18 Monate nach „Und endlich unendlich“ gleich noch ein weiteres neues Album rauskloppen, als gelte es, zehn verlorene Jahre aufzuholen. „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ kommt wesentlich düsterer daher als sein Vorgänger, dreckiger, rauher, unmittelbarer. Mit ein wenig Distanz lässt sich konstatieren: „Ewigkeit“ ist die bessere der beiden Post-Comeback-Platten.

7 Aloe Blacc – Good Things
Verblüffend, wie oft ich diese CD inzwischen gehört habe. Schlicht und einfach geil produzierter Soul-Pop, der mir den langen tristen Herbst verschönert hat.

6 The Bear That Wasn’t – And So It Is Morning Dew
Der Belgier, der sich nach einem alten US-Kinderbuch bzw. -film benannt hat, sorgte für die wohl melancholischste, verspielteste „kleine Folk-Platte“ des Jahres. Ob auf zehnstündigen Flugreisen, bei endlos langen Sommerabenden auf dem heimischen Balkon oder in den miesesten Momenten des Jahres – „And So It Is Morning Dew“ war in diesem Jahr bei mir immer mit dabei.

5 Regina Spektor – Live in London
Die paar unveröffentlichten Songs sind es gar nicht mal, die diese Liveaufnahme so besonders machen. Es ist vielmehr die Perfektion, mit der Regina Spektor jeden Ton trifft, auf dem Klavier wie mit ihrer Stimme. Es ist auch die atemberaubende Bühnenpräsenz dieser gewitzten, leidenschaftlichen, unvergleichlichen Künstlerin. Wahnsinn.

4 The Duke & The King – Long Live The Duke & The King
Die Reise des Herzogs und des Königs geht weiter, und sie wird immer unterhaltsamer. Nach dem eher introvertierten Debüt folgte in diesem Jahr etwas, das man fast schon als Party-Album bezeichnen könnte. Damit meine ich so eine richtig gute Party – also eine, die weder nach Kotze noch nach Möchtegernbohème müffelt.

3 Gisbert zu Knyphausen – Hurra Hurra So Nicht
Was soll ich über Knyphausen denn noch schreiben, was nicht schon geschrieben wäre. Es stimmt: viel besser, als er das mit „Hurra Hurra So Nicht“ gemacht hat, kann man’s echt nicht machen. Weder in deutscher, noch in irgendeiner anderen Sprache.

2 The Cat Empire – Cinema
Dass diese Band von Album zu Album immer stärker wird, grenzt an ein Wunder, wenn man bedenkt, wie grandios schon die ersten Sachen der Australier waren. „Cinema“ kommt langsam, aber gewaltig. Und am Ende dieses hypnotisierend guten Songpakets kann man nur noch den Hut ziehen – vor so viel Scharfsinn, Lebensfreude, Witz und Musikalität.

1 Fistful Of Mercy – As I Call You Down
Gar keine Frage. Gar kein Zweifel. Ganz klare Sache: diese in drei Tagen zusammengeklampfte Wunderplatte ist mein Album des Jahres. Weil ich mich in keiner anderen Musik in diesem Jahr öfter verloren habe, weil mir keine andere Musik derzeit näher geht als diese neun Preziosen der Herren Harper, Arthur und Harrison. Ich bin zutiefst dankbar über den Umstand, dass die drei sich Anfang des Jahres in ein Studio eingesperrt haben – denn mit „As I Call You Down“ ist ihnen ein Meisterwerk gelungen.

Fünf Jahre 2zueins! – Wir sind halt unterwegs…

Heiko und ich waren beide ziemlich erstaunt, als wir neulich feststellten, dass unser erstes gemeinsames Konzert tatsächlich schon fünf Jahre her ist! Am 3. Dezember 2005 spielten wir ein paar Songs auf einem Benefizkonzert zugunsten der vom Hurrican Katrina betroffenen Menschen in New Orleans, in der Reudnitzer Laurentiuskirche. Seitdem gab es jede Menge Konzerte, solo, im Duo, im Trio – und wir haben inzwischen zwei gemeinsame CDs veröffentlicht. Fünf tolle Jahre, die wir würdigen wollten. Und das haben wir getan – mit ein paar Schnappschüssen aus den letzten Jahren. Unsere Plattenaufnahmen 2007 und 2009 finden sich da, tolle Konzerte, Backstage-Einblicke, Videodrehs und wunderbare Momente mit all denen, die unserer Musik offenbar freiwillig und gerne lauschen. Dazu ein Song aus unserem ersten Album „Clockwork Utan„. Ich freu‘ mich auf alles, was da noch kommt und wünsche jetzt viel Spaß mit diesem kleinen Video: „Halt unterwegs“!

Neue Musik: Justin Townes Earle, Aloe Blacc, Ocean Colour Scene, The Tallest Man On Earth, Dumpstaphunk, David Gray, Dave Matthews Band

Justin Townes Earle – Harlem River Blues (2010)
Dass einer, der wegen Körperverletzung inhaftiert war und derzeit in einer Entzugsklinik lebt, solche herzzerreißend schöne Musik machen kann – das ist einer dieser seltsamen Widersprüche im Leben. Darf ich vorstellen: Justin Townes Earle, Alternative-Country-Darling der Stunde in den USA, vier große Alben in nicht ganz vier Jahren, Sohn der Songwriterikone Steve Earle. „Harlem River Blues“ changiert zwischen Folk, Country und Blues; die Platte strahlt eine Lebenslust aus, dass man schlichtweg nicht glauben will, dass sie von einem Mann stammt, der offenbar größere persönliche Probleme mit sich herumschleppt. Ich bin froh über diese tolle, tolle Musik und wünsche mir und ihm, dass es Justin Townes Earle bald besser geht.

Aloe Blacc – Good Things (2010)
Scheinbar aus dem Nichts tauchte in diesem Spätsommer Aloe Blacc auf und er hatte einen Überhit im Gepäck. „I Need A Dollar“, dieses sich ach so beiläufig ins Hirn fräsende Soulpopbrett, war mit einem Schlag überall: in den Fernsehshows, den Radios, im Feuilleton, in der Musikpresse sowieso. Hype? Geschicktes Marketing seitens der Plattenfirma? Kann alles sein. Entscheidend ist, dass Aloe Blacc ein wahrlich famoses Album vorweisen kann, das eben mehr ist als ein „stimmiges Produkt“. „Good Things“ funktioniert nicht, es lebt, atmet, eckt an, begeistert, verwundert. Da schickt sich einer an, Soul und R’n’B sanft ins 21. Jahrhundert zu hieven, stets voller Respekt vor den Anfängen, aber eigenständig und raffiniert genug, um nicht als Retro-Act abgestempelt zu werden.

Ocean Colour Scene – 21 (2010)
Andere lassen sich anläßlich ihres 21. Geburtstages ein Auto schenken oder besaufen sich, einfach, weil sie’s jetzt dürfen. Ocean Colour Scene feiern ihren 21. Geburtstag mit einem Mörderrelease. Die 4-CD-Deluxe-Box „21“ enthält fast 90 Songs, ein wunderbares Booklet mit herrlich nerdiger Diskographie und ist weit mehr als ein „Best Of“-Album. Die Herren aus Birmingham blicken dankbar und zu Recht auch stolz zurück auf ihre bisherige Karriere: die holprigen Anfänge, die Hochphase mit „Moseley Shoals“ und „Marching Already“, der Wandel, die Suche, die wiedererlangte Topform der letzten Zeit. Altbekannte Hits stehen neben bislang unveröffentlichten Demos, Outtakes und Liveversionen (natürlich genau 21 an der Zahl). Ach ja, und eine komplett neue Single gibts auch. Wie die heißt? Logisch, 21. Runde Sache, tolle Anthologie, große, leider viel zu selten gewürdigte Band.

The Tallest Man On Earth – Sometimes The Blues Is Just A Passing Bird (2010)
Erst im Mai habe ich über Kristian Matsson und sein letztes Album „The Wild Hunt“ geschrieben, schon beglückt uns The Tallest Man On Earth mit einer neuen EP. Die kommt noch weitaus reduzierter, spontaner und dennoch runder daher als ihr Vorgänger. Und mit „The Dreamer“ hat der alte Schwede uns einen der schönsten Songs des Jahres geschenkt.

Dumpstaphunk – Everybody Want Sum (2010)
Funk, und zwar ohne jeden Zweifel. Schon seit einigen Jahren sorgt die Band um Ivan Neville für tolle Konzerte, auf denen es nur um eines geht: um beinharten New Orleans-Funk. Endlich gibt’s nun ein komplettes Dumpstaphunk-Studioalbum, und das macht einfach Spaß. Tanzen, zappeln, feiern – ob man nun will oder nicht. Ivan singt gleich im ersten Track das Hohelied der Liebe zur Musik: „She’s funky like the Family Stone, smooth like Marvin Gaye, she’s rock’n’roll like Keith and Mick, she sings like Lady Day. Sheez music.“

David Gray – Foundling (2010)
Das Ende einer großen Liebe? Meine Gefühle für David Gray haben sich in der Tat in den letzten Jahren ziemlich abgekühlt, die letzten Platten waren mir alle etwas zu adult, sophisticated – oder schlichtweg zu langweilig. „Foundling“ ist eine Doppel-CD mit Resten aus der letztjährigen Studiosession und klingt über weite Strecken leider auch so. Allerdings blitzt an manchen Stellen das auf, was mich an älteren David Gray-Alben immer so fasziniert hat. Das bittersüße „Forgetting“, das fragende „Holding On“, das vielversprechende „Only The Wine“ – starke Songs, souverän vorgetragen, so gar nicht das überflüssige MOR-Futter, aus dem der Rest der Platte leider besteht. Mal schauen, vielleicht brauchen wir ja auch nur mal ne Auszeit, der David und ich.

Dave Matthews Band – Live In New York City (2010)
Alle Jahre wieder: DMB hauen kurz vor Weihnachten ein aktuelles Livealbum auf den Markt. Warum sollte das 2010 auch anders sein. Und während es den Fan und Sammler freut, die Setlist überaus abwechslungsreich ist und das Hören dazu führt, dass man sich sofort „zu Hause“ fühlt und diese Band umgehend wieder live sehen möchte, so muss ich doch eingestehen, dass dieses 2-CD-Set für Gelegenheits-DMB-Fans nicht viel mehr sein dürfte als einfach nur eine weitere Dave Matthews-Liveplatte. Allerdings sollten diese Gelegenheitsfans besser einen objektiven Kritiker befragen – ich empfehle „Live In New York City“ nämlich uneingeschränkt.

siebenSONGS 32. Spinning Traveler Edition.

Morgen spielen meine beiden Lieblingsbands Spin Doctors und Blues Traveler ein gemeinsames Konzert in Orlando in Florida. Zum Beginn ihrer Karrieren waren gemeinsame, endlose Konzerte der beiden Bands gang und gäbe, fünf und mehr Stunden Livemusik ohne Unterbrechung waren da nicht selten. Bis heute sind die Musiker befreundet, hin und wieder begegnen sie sich und treten gemeinsam auf. Mal schauen, was da morgen so passiert; ich kann es kaum erwarten, die Mitschnitte zu hören. Um mir – und dem geneigten Leser – die Zeit bis dahin zu verkürzen, gibt’s heute siebenSONGS in Sachen Spin Doctors meets Blues Traveler and vice versa.

Blues Traveler feat. Eric Schenkman – Battle Of Someone (1996-11-23)

Wasabi – Jam (1994-02-27)

Blues Traveler feat. Chris Barron – Cleopatra’s Cat (2006-05-23)

John Popper Project feat. Chris Barron – Scattin‘ (jam) (2004-05-04)

Spinning Traveler (SD + BT) – Shinbone Alley > Jam (1992-04-23)

Spin Doctors feat. John Popper – Lady Kerosene (2008-05-27)

Chris Barron & The Time Bandits feat. John Popper – Stone’s Throw (2009-05-12)

Lust auf mehr?
Blues Traveler @ Live Music Archive
Spin Doctors @ Live Music Archive
Chris Barron @ Live Music Archive
Wasabi @ Live Music Archive
Spinning Traveler @ Live Music Archive
BluesTraveler.net
SpinDoctors-Archive.com

Neue Musik: Ben Folds & Nick Hornby, Weezer, Selig, The Duke & The King, Jason Mraz, The Avett Brothers, Fistful Of Mercy

Ben Folds & Nick Hornby – Lonely Avenue (2010)
Das liest sich auf dem Papier oder auf dem Monitor ja ganz hervorragend: Kult-Autor schreibt Texte für Kult-Musiker. Die beiden – inzwischen Freunde – machen ein ganzes Album daraus. Kann ja eigentlich nur super werden. Leider falsch gedacht: die Platte hat ohne Frage ein paar großartige Momente, insgesamt wirkt „Lonely Avenue“ von Ben Folds und Nick Hornby aber seltsam bemüht. Als fremdelte Ben mit Nicks Texten, als hätte Nick Probleme, Ben was auf den Leib zu texten. Bisweilen ist das regelrecht nervtötend und unangenehm hektisch. Und so klingt das nur nach einem unausgegorenen Ben Folds-Album und nicht nach der Zusammenarbeit des Jahres.

Weezer – Hurley (2010)
Wenn ich schon mal rummaule, mach ich auch gleich weiter: es gibt schon wieder eine neue Weezer-Platte. Nachdem mir die Vorgänger „Ratitude“ und „Red Album“ recht gut gefallen hatten (einfach nicht ständig mit der „Blauen“ und „Pinkerton“ vergleichen, und schon geht’s), bin ich von „Hurley“ dann doch enttäuscht. Was Weezer hier bieten, war alles schon mal da, haben wir so oder so ähnlich auf allen vorherigen Alben gehört, interessiert nur so mittelstark. Klar, das Gespür für schöne Melodien verlässt Herrn Cuomo auch hier nie so ganz; klar, ich höre den einen oder anderen Song auf diesem Album ganz gerne („Ruling Me“, „Trainwrecks“). Insgesamt ist „Hurley“ aber kein starkes, sondern vielmehr ein verzichtbares Album. Ob nun Weezer ein Pause brauchen oder ich eine Weezer-Pause, weiß ich gerade nicht.

Selig – Von Ewigkeit zu Ewigkeit (2010)
Ich war ja ehrlich in Sorge, dass mir ein gerade mal anderthalb Jahre nach dem großen Comeback-Album veröffentlichtes, weiteres Selig-Werk eher auf den Keks als ans Herz gehen würde. Und tatsächlich war ich nach dem ersten Hören… ja, was? ernüchtert? überfordert? erschlagen? „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ war bei der Hör-Premiere etwas zu viel Ewigkeit auf einmal. Doch bereits beim zweiten Hören hat es bei mir „Klick“ gemacht. War „Und endlich unendlich“ durch und durch geprägt von Wiedersehensfreude, Wundenlecken und Aufarbeitung, so steigen Plewka und Co. hier wieder tiefer ein in die klassischen Selig-Sujets. Sie singen und spielen von Verzweiflung und Hoffnung, von Liebe und Einsamkeit, vom Höhenflug und vom tiefen Fall. Diese Platte wächst mit jedem Hören und ist musikalisch wie textlich sperriger, direkter als das 2009er Album. Inzwischen ist sie mir näher als ihr Vorgänger. Ja, Selig haben es geschafft, nicht zur alles verklärenden Altherrenband zu werden – sie haben immer noch etwas zu sagen und zu geben.

The Duke & The King – Long Live The Duke & The King (2010)
Ist das ein 2010er-Trend? Bands mit guten 2009er-Releases legen nach nur wenigen Monaten neue Platten vor? Weezer. Selig. Und jetzt auch noch The Duke & The King? Bis heute halte ich „Nothing Gold Can Stay“ – mein persönliches Album des Jahres 09 – für eine der stärksten Songsammlungen der letzten Zeit, noch habe ich mir gar nichts Neues herbeigesehnt. Und doch bin ich sehr froh, dass es diese zweite The Duke & The King-Platte gibt. „Long Live The Duke & The King“ ist leichter, souliger, verspielter als das CD-Debüt aus dem letzten Jahr. Aber wenn man bei jedem Track zufrieden grinst und einem der Herbst plötzlich scheißegal ist, dann kann es sich weiß Gott nicht um miese Musik handeln. Im Gegenteil: auch 2010 spielen der Herzog und der König ganz weit vorne mit. Großartig.

Jason Mraz – Life Is Good EP (2010)
Was ist nur mit Jason Mraz los? Die neue „Life Is Good“-EP besteht aus fünf Live-Stücken von einer seiner unzähligen Post-„I’m Yours“-Touren der letzten zwei Jahre. Ja, er hat eine Top-Liveband. Freilich, er ist ein toller Sänger. Sicher, er hat musikalisch viel mehr drauf als diesen einen großen Überhit. Aber trotzdem klingen die Songs dieser EP so dermaßen nach banalem Erwachsenen-Pop, dass ich es nicht ertrage. Trotz Latin-Grooves und Sprechgesang hat Mraz im Moment etwas mikeandthemechanics– und gloriaestefanmäßiges, das mich einfach betrübt. Mir blutet das Herz.

The Avett Brothers – Live Vol. 3 (2010)
„I And Love And You“ ist noch kein halbes Jahr in Europa draußen (in den USA dafür schon über ein Jahr), und die wunderbaren Avett Brothers legen bereits ein neues Live-Album nach. Meine erste Vermutung war ja, damit wollten sie die Fans der ersten Stunde umschmeicheln. Schließlich waren die in Sorge, dass dem spannendsten Alternative-Country-Act der letzten Jahre mit Majorlabel (American Recordings), Majorproduzent (Rick Rubin) und Majorchartsplazierung (Platz 16 in den Billboard Hot 100) ein ähnliches Schicksal wie Jason Mraz widerfahren könnte: dass der Erfolg lähmt und die Band in die kreative Bedeutungslosigkeit bugsiert. Aber zum Glück ist das alles unbegründet, immerhin war „I And Love And You“ ein fantastisches Album, und diese Live-Veröffentlichung ist nicht minder packend. Weltklasse-Performer, die ihr Herz aus dem Leibe schreien und dabei vor Lebensfreude nur so übersprudeln. Elegant, wie sie den Spagat zwischen Rubin-Hochglanz und räudigem Bühnencharme (ups, versungen, darf ich nochmal anfangen?) beibehalten. „Live Vol. 3“ ist ein Hörvergnügen sondergleichen.

Fistful Of Mercy – As I Call You Down (2010)
Fistful Of Mercy sind die neuen Monsters Of Folk. Ben Harper, Joseph Arthur und Dhani Harrison hatten sich im Februar zusammengetan, um gemeinsam im Studio zu jammen und vielleicht ein paar Songs aufzunehmen. Herausgekommen ist eine neue Supergroup und das vielleicht überraschendste Album des Jahres: das Gespür Arthurs für starke Sätze in starken Melodien trifft auf Ben Harpers Virtuosität und Spielfreude. Was George-Harrison-Sohn Dhani dann noch an Stimme, Songwriting und Präsenz mit einbringt (ich gebe zu, ich kannte ihn vorher nicht), setzt dem ganzen die Krone auf. Neun Momentaufnahmen, die sich zu einer wundervollen Einheit zusammenfügen – „As I Call You Down“ ist ein zeitlos schönes und ergreifendes Album geworden.

Ältere „Neue Musik“-Beiträge gibt’s übrigens hier.

Fünf Songs geschenkt: Filou EP (2010)

Gestern erschien Filou, eine kleine EP mit Studio- und Küchendemos von mir aus den letzten Jahren. Fünf Songs, die es (bis jetzt) nicht auf eine „reguläre“ Veröffentlichung geschafft haben, an denen ich aber hänge. Fünf Aufnahmen, die das Gegenteil von perfekt sind (ach was, sie sind zum Teil verrauscht wie Sau, windschief wie sonstwas und nicht eben filigran) – die mir aber womöglich gerade deshalb ans Herz gewachsen sind. Fünf Momente, die ich gerne teilen möchte und daher zum Gratis-Download anbiete:

Daniel Heinze – Filou by Daniel Heinze

Das komplette Artwork zur EP (Danke an Steffi Wolf) gibt’s unten. Alle Songtexte sind auf meiner Musik-Seite verlinkt. Wem Filou gefallen hat, der freut sich vielleicht auch über Stundevorwärts, eine ganz ähnlich motivierte Gratis-Sammlung mit Demos, die ich im Frühjahr 2009 veröffentlicht habe. Die gibt’s hier. Ach so: außerdem hab ich ’ne Band, alles über 2zueins! steht zum Beispiel hier und hier und hier.
Weiterlesen „Fünf Songs geschenkt: Filou EP (2010)“

Fistful Of Mercy – Fistful Of Mercy (2010)

Das ist fast zu viel auf einmal: Ben Harper UND Joseph Arthur UND Dhani Harrison sind Fistful Of Mercy. Das nenn‘ ich mal ’ne Supergroup. Die ersten Songs, die ich in den letzten Wochen so gehört habe, begeistern mich sehr. Am 5. Oktober erscheint das Album „As I Call You Down“, den bandnamengebenden Song „Fistful Of Mercy“ gibt’s schon jetzt als Gratis-Download. Und als Video:

Neue Musik: Wir sind Helden, Todd Thibaud, Steve Mayone, Gov’t Mule, Jay Bennett, Tim Reynolds, Kula Shaker

Wir sind Helden – Bring mich nach Hause (2010)
Hmm. Ein Wir sind Helden-Fan war ich im Grunde nie, allerdings ist mir die Band sehr sympathisch. Ich mag die geradlinige Art der Helden bei Business-Entscheidungen, und die Texte von Judith Holofernes sind für mich definitiv Lyrik-Bundesliga. „Bring mich nach Hause“ ist kompliziertere Kost, als ich erwartet hätte. Verhalten, nachdenklich, mitunter düster. Aber dennoch angenehm, lebensfroh und überraschend. Ich mach’s kurz: ich mag diese Platte einfach. Vielleicht wird das ja doch noch was, mit mir und dem Helden-Fan-Sein. Der „Ballade von Wolfgang und Brigitte“ und „Meine Freundin war im Koma und alles, was sie mir mitgebracht hat, war dieses lausige T-Shirt“ sei Dank.

Todd Thibaud – Broken (2009)
Hätte nie gedacht, dass mir mal ein Album von Todd Thibaud „durchrutscht“. Genau das ist bei „Broken“ aber passiert. Eher zufällig war ich mal wieder auf den Seiten des tollen Blue Rose-Labels und schaute eher nebenher mal nach, ob den der gute Todd „irgendwas Neues“ hat. Hat er. Ein Todd Thibaud-Album nämlich, das klingt… wie ein Todd Thibaud-Album. Straighter, solider, melodiöser Ami-Rock, der mich leider nicht mehr ganz so packt wie noch vor ein paar Jahren. Ohne Frage, die Songs sind gut und perfekt und grandios gespielt, aber die eine oder andere Überraschung mehr hätte ich mich schon gewünscht. Wie dem auch sei: ich möchte „Broken“ nicht missen und freue mich über dieses Zuhause-Gefühl, das Todds Musik in mir auslöst.

Steve Mayone – Long Play Record (2009)
Thibaud? Warte mal, da war doch dieser Bassist beim Konzert, mit dem wir nach der Show ein paar Biere getrunken haben. Der hatte diese geile Soloplatte… Bedroom Rockstar, genau. Hat der vielleicht ja auch was Neues? Steve Mayone hieß der… Siehe da: auch er hat. „Long Play Record“ nämlich. Eine Platte mit wunderbaren Songs, tollen Melodien und dem gleichen schrulligen Selfmade-Charme wie einst „Bedroom Rockstar“. Was bin ich froh, dass mir „Long Play Record“ untergekommen ist – nicht zuletzt wegen „Adrift“, dem letzten und allerbesten Lied des Albums.

Gov’t Mule – Mulennium (2010)
In Sachen Riesen-Releases sind Gov’t Mule echte Profis – die Herren haben ja schon so einige Box-Sets, Doppel-CDs und so weiter rausgehauen. Die 3-CD-Veröffentlichung „Mulennium“ reiht sich da ein: es geht zurück in die Silvesternacht 1999, damals war Bassist Allen Woody noch am Leben und die Band (damals galt sie als das heißeste Power-Trio des Rock) stand kurz vor der Veröffentlichung ihrer CD „Life Before Insanity“. Traditionell sind New Years Eve-Shows der Band immer was besonderes, und auch die Milleniumsnacht ist da keine Ausnahme. Erst rocken Warren Haynes und Co lautstark los, dann kommt Little Milton auf die Bühne und spielt mit ihnen ’ne gute Stunde feinsten Bluesrock, und am Ende wird gecovert, gejammt und gefeiert, was das Zeug hält. Dreieinhalb Stunden grandiose Livemusik.

Jay Bennett – Kicking At The Perfumed Air (2010)
Über ein Jahr ist Jay Bennett inzwischen tot. Bei Wilco fand ich ihn gut, als Produzent von Blues Traveler war er eine Herausforderung für mich. Wirklich begeistert hat er mich aber mit seinen Solo-Geschichten. „Kicking At The Perfumed Air“ ist die Platte, an der Jay unmittelbar vor seinem Tod gearbeitet hat und die auch fast fertig war. Enge Vertraute haben das Album – hoffentlich in Bennetts Sinne – fertiggestellt und jetzt kann man es kostenlos runterladen. Und das sollte man auch, denn es ist grandios, vom ersten Ton des Geldof-Covers „Diamond Smiles“ bis zum letzten Ton der viel zu lustigen Trinkerhymne „Beer“. Was für ein bittersüßes Vermächtnis; was für ein Jammer, dass dieser tolle Mann nicht mehr lebt.

Tim Reynolds – The Limbic System (2010)
Bei Dave Matthews Band-Konzerten ist er das Genie an der elektrischen Gitarre. Auf dieser Soloveröffentlichung demonstriert Tim Reynolds allerdings, was für ein begnadeter Akustik-Gitarrist er ist. Glasklare Töne, nicht für möglich gehaltene Sounds, wunderbare Klanglandschaften. 26 Tracks sind zwar für meinen Geschmack eine Handvoll zu viel des Guten, dennoch möchte ich „The Limbic System“ uneingeschränkt empfehlen.

Kula Shaker – Pilgrims Progress (2010)
Es hätte nicht viel gefehlt, und Kula Shaker wären der Treppenwitz des Britpop geblieben: kurzzeitig bekannt durch fetten Retro-Rock mit akuter Indien-Schlagseite, fanden die Herrschaften um Chrispian Mills aber eine knappe Dekade nach ihrem Heyday in den Neunzigern wieder zueinander – und machen plötzlich wunderbare Popmusik, detailversessen, liebenswert und gar nicht mal mehr so indisch. Kula Shaker waren nie schlecht, kurzzeitig gar cool und angesagt, dann aber irgendwann bedeutungslos. Inzwischen sind sie eine Band, die von Album zu Album besser wird und jetzt mit „Pilgrims Progress“ definitiv die beste CD ihre Karriere vorlegt.